(29.06.2012)
Die Warschauer U-Bahn GmbH (Metro Warszawskie Sp. z o.o.) hat Anfang 2011 ein Konsortium aus Siemens und dem polnischen Hersteller Newag mit der Lieferung von 35 sechsteiligen Metro-Zügen im Wert von 272 Mio. EUR beauftragt. Das ist der größte Auftrag, den Siemens jemals in Polen gewonnen hat. Dies ist zugleich die erste Order für komplette Fahrzeuge aus der neuen Metro-Generation Inspiro.
Die ersten beiden Züge, die für den Einsatz im Netz der Warschauer Metro vorgesehen sind, sollen bis Ende 2012 für dynamische Testzwecke in Warschau geliefert werden. Drei der im Wiener Siemens-Werk produzierten Wagen werden auf dem Außengelände der InnoTrans 2012 zu sehen sein. Die neuen Fahrzeuge werden das Erscheinungsbild der Stadt Warschau nachhaltig verändern. Das Fahrzeugdesign wurde in Zusammenarbeit mit BMW Designworks USA erstellt, wobei auf die Corporate-Design-Wünsche des Kunden, speziell in der Farbgebung besonders eingegangen wurde. Dank der Kombination des futuristischen Fahrzeugkopfes mit einer graphischen Gestaltung der Seitenwände symbolisiert der Inspiro die Zukunftsorientierung des modernen Warschau. Das offene, helle Interieur unterstreicht den modernen Chic und die Attraktivität der Metro. Zusammen mit der durchgängigen Begehbarkeit des Zuges trägt das Innendesign in erheblichem Maße auch zum Sicherheitsempfinden der Fahrgäste bei.
Warschau verfügt über eine etwa 23 Kilometer lange Metrolinie (Linie 1) mit 21 Stationen. Zurzeit befindet sich der zentrale Abschnitt der neuen Ost-West-Verbindung (Linie 2) im Bau. Die neuen Züge sollen auf beiden Linien zum Einsatz kommen. Mit den jetzt bestellten 35 Zügen passt die Metro Warschau ihr Angebot den stetig gewachsenen Passagierzahlen an. Allein von 1998 bis 2008 hat sich die Zahl der Fahrgäste pro Jahr auf gut 126 Millionen verdreifacht. Der Kunde plant etwa 10 bis 15 Züge auf der bestehenden und die restlichen Züge auf der neuen Strecke einzusetzen. Für den weiteren Ausbau der Linie 2 sieht eine Option den Abruf von weiteren 17 Zügen der neuen Inspiro-Plattform innerhalb der nächsten drei Jahre vor.
Jeder Zug umfasst sechs Wagen in Aluminiumkonstruktion, in der Konfiguration MC-T-M-M-T-MC. Das Antriebssystem besteht pro Motorwagen (M) aus vier durchzugsbelüfteten Asynchronmotoren, die durch einen modernen fremdbelüfteten IGBT-Kompaktumrichter aus der bewährten SIBACBaureihe gespeist werden. Zu den Besonderheiten dieser Fahrzeuge zählen Schiebetritte zur Überbrückung des Abstandes zwischen Zug und Bahnsteig für bewegungsbeeinträchtigte Personen an den ersten Türen der Endwagen sowie ein auf die Metro Warschau angepasstes Fahrgastinformationssystem. Im Fahrgastraum wird ein Videoüberwachungssystem installiert. An den Kopfwagen sind jeweils eine Außenkamera (Sicht in Fahrtrichtung) und Rückspiegelkameras vorgesehen.
Der Auftrag umfasst die Lieferung, die Inbetriebnahme, die Tests und die Zulassung der Inspiro- Fahrzeuge. Die ersten zehn Garnituren werden komplett im Siemens-Werk Wien-Simmering gefertigt. Die Endmontage der verbleibenden Fahrzeuge erfolgt im polnischen Nowy Sacz durch den Konsortialpartner Newag. Newag liefert für die Fahrzeuge alle Teile des Innenausbaus und Fahrzeugsysteme, wie das Zugbeeinflussungssystem und die Fahrgastinformation. Siemens liefert das gesamte Engineering und die Kernkomponenten, wie unter anderem Rohbau, Drehgestelle und Traktionsausrüstung.
Die Züge können jeweils insgesamt bis zu 1.450 Fahrgäste (bei 7 Personen/m2) befördern und bieten hierzu max. 256 Sitzplätze und max. 1.194 Stehplätze. Der Zug ist für den Tunnelbetrieb ausgelegt und basiert auf der modularen Inspiro-Plattform von Siemens, die eine optimale Anpassung der Züge an die spezifischen Kundenanforderungen sicherstellt. Die Kopfwagen sind jeweils mit einem Fahrerstand ausgestattet für den Zweirichtungsbetrieb. Die einzelnen Wagen sind über Kurzkupplungen miteinander verbunden. Eine Schnelltrennung in Zugmitte ist über eine halbautomatische Kupplung machbar. Zu Rangierzwecken können die Zughälften selbstständig fahren. Beide Endwagen sind mit Kupplungen ausgestattet, um ein Abschleppen untereinander und in Kombination mit den Altfahrzeugen und den Rangierloks zu ermöglichen. Die elektrischen Verbindungen innerhalb des Zuges sind als steckbare Übergangskabel ausgelegt. Die pneumatischen Funktionen werden über Schläuche und über die Druckluftleitung der Kuppelhälften übertragen. Zwischen den Wagen befinden sich breite offene Übergänge (lichte Höhe 1.950 mm, lichte Weite ca. 1.500 mm) für einen ungehinderten Durchgang durch die Wagen im Fahrgastbetrieb. Zwei Drittel der Achsen des Zuges sind elektrisch angetrieben. Der Abgriff der Fahrleitungsspannung von 750 V DC erfolgt über Stromabnehmer von der 3. Schiene.
Die Wagenkästen des Inspiro liegen auf jeweils zwei Drehgestellen. Die Radsätze der Triebdrehgestelle werden jeweils durch eine Antriebseinheit (Fahrmotor mit Getriebe) angetrieben, so dass zwei Antriebseinheiten pro Drehgestell und vier Antriebseinheiten pro Wagen vorhanden sind. Die vier Fahrmotoren pro Wagen werden durch einen IGBT-Traktionsumrichter angesteuert. Die Züge werden mit einem ATC-System ausgestattet, das den Betrieb sowohl auf der neuen Linie 2 als auch auf der bestehenden Linie 1 sicherstellt.
Die Außenflächen der Inspiro-Wagenkästen sind lackiert. Das markante gelbe umlaufende Band wird durch das Aufbringen einer Folie realisiert. Alle Wagen sind mit jeweils acht elektrisch betriebenen Außenschiebetüren (je vier pro Seite) ausgestattet. Die lichte Weite der Türen beträgt 1.400 mm. Der Zugführer kann die Kopfwagen durch eine der beiden Seitentüren im Fahrerstand oder über eine Fahrerstandtür vom Fahrgastraum aus betreten.
Der Innengeräuschpegel im Fahrgastraum beträgt 75 dB(A), im Fahrerstand 67 dB(A), beide gemessen bei 80 km/h. Das Messverfahren entspricht der Norm ISO 3095 für Außengeräusche und der Norm ISO 3381 für Innengeräusche. Die Außen- und Innengeräuschentwicklung sowie die im Betrieb auftretenden Schwingungen werden im Hinblick auf Fahrgastkomfort und mit Rücksicht auf die Anwohner in der Nachbarschaft von Gleisanlagen minimiert.
Die neue Metroplattform Inspiro von Siemens erzielt durch konsequenten Einsatz von Leichtbautechnologie sowie durch moderne Antriebstechnik eine deutliche Absenkung des Energieverbrauchs. Bei der Wahl des Materials – sowohl des Wagenkastens als auch des Interieurs – hat Siemens großen Wert auf Wiederverwertbarkeit gelegt. Die Recycling-Quote beträgt mehr als 95 Prozent.
Auch in puncto Betriebskosten setzt der Inspiro neue Maßstäbe. Die erhebliche Ausdehnung der Wartungsintervalle führt nicht nur zu niedrigeren Wartungskosten, sondern auch zu einer höheren Verfügbarkeit der Fahrzeuge. Das heißt, mit der gleichen Anzahl von Fahrzeugen kann eine größere Beförderungsleistung erbracht werden. Die flexible Anordnung der Sitzplätze sowie der optionale Einsatz von Fahrerassistenzsystemen und die Möglichkeit des fahrerlosen Betriebes gewährleisten für den Betreiber ein Höchstmaß an Beförderungskapazität. Die Züge erreichen eine Maximalgeschwindigkeit von 90 km/h. Das modulare Einzelwagenkonzept kann beliebige Konfigurationen mit variablem Motorisierungsgrad von einem zwei- bis zu einem achtteiligen Zug realisieren. Die Fahrgastwechselzeiten werden durch maximale Türbreiten und Beladungserkennungssysteme stark reduziert. Die Konstruktion des Innenraums ist auf maximalen Komfort ausgelegt, da dort unter anderem völlig auf Geräteschränke verzichten werden konnte.